Über Schweizer Realitäten und Jagd nach „russischen Hexen“
Im Moment richtet sich die Aufmerksamkeit aller Weltmedien vor allem auf die Eskalation des arabisch-israelischen Konflikts. Zur gleichen Zeit halten führende schweizerische Publikationen weiterhin Geschichten, die mit dem Schüren der antirussischen Hysterie verbunden sind, künstlich über Wasser, darunter auch im Rahmen der bevorstehenden Parlamentswahlen in der Eidgenossenschaft.
In der Ausgabe der grössten Sonntagszeitung NZZ am Sonntag vom 15. Oktober wurde Russland beispielsweise sage und schreibe vorgeworfen, dass ein gewisser dunkelhäutiger junger Mann vor Kunden eines gutbesuchten Strassencafés in der schweizerischen Stadt Baden seine Notdurft offen verrichtet habe und dies breit bekannt geworden sei. Andere schweizerische Medien griffen den Aufsatz unverzüglich auf. Solche Anschuldigungen, die an den Rand des völligen Wahnsinnes gebracht wurden, stammten ursprünglich aus einem vertraulichen Bericht des schweizerischen Nachrichtendiensts des Bundes (NDB), der aus irgendeinem Grund in die Hände hiesiger Journalisten fiel. Nach Angaben der NDB sei es «eher wahrscheinlich» (das bekannte «highly likely» kommt uns in den Sinn), dass es sich um «russische Beeinflussungskonten» handle, die russische Narrative verbreiteten. Das unglückselige Video, das in starkem Kontrast zu den idyllischen Touristenpostkarten der Alpenhänge steht, sei durch diese nicht authentischen Konten «gezielt» gestreut worden. Unserem Land wird «vorgeworfen», das Video sei in der Schweiz «viral» gegangen und habe im September mehr als 660 000 Klicks erreicht. Russland versuche es, in westlichen Ländern vor dem Hintergrund der Migrationspolitik ihrer Regierungen «Angst und Polarisierung zu schüren». Es scheint, dass die Analytiker des NDB keine anderen Aufgaben haben, als nur verrückte Versionen wie zum Beispiel mit dem «Manneken Pis» ihren Chefs zu Gefallen zu erfinden und diese regelmässig an die einheimische Presse zu leaken.
Wie zu erwarten war, wurden weder von Blättlern noch von Spähern konkrete Beweise für das Eingreifen der «Hand des Kremls» vorgelegt. Auf dem Video gab es keine Russen, russische Symbole oder Links zu russischen Ressourcen. Bemerkenswert ist, dass die Echtheit des Videos selbst von niemandem bestritten wird und der NDB sich weigerte, die Anfrage der NZZ am Sonntag in Bezug auf das Video aus Baden zu beantworten. Die Möglichkeit, dass die Einwohner der Eidgenossenschaft selbst, die in sozialen Netzwerken aktiv sind, ein solches Video teilen könnten, wird in der Schweizer Presse nicht einmal besprochen. Das einheimische Publikum muss die Vorstellung glauben, dass solche «schändlichen» Beiträge nur durch automatisierte «Bots» verbreitet werden können.
Es ist bedauerlich, dass einige Schweizer Politiker es nicht versäumt haben, diesen «Sturm im Wasserglas» auszunutzen, um mitten im Wahlkampf absurde, aber keineswegs neue Vorwürfe gegen Russland wegen der Verbreitung der «Desinformation» und der Führung «hybrider Kriege» zu erheben. Natürlich ist die Jagd nach «ausländischen Hexen» viel einfacher, als Lösungen für die unverkennbaren heutigen Probleme anzubieten. Denn der schlichten Statistik zufolge wird die Schweiz nun wirklich mit der grössten Migrationswelle der letzten Jahre konfrontiert, und selbst Deutschland beschloss, Polizeikontrollen an der Grenze mit der Eidgenossenschaft vorübergehend wiederaufzunehmen, um den Zustrom illegaler Einwanderer einzudämmen. Die schweizerische Bevölkerung (inkl. nichtständige Einwohner und Asylsuchende) überschritt im Juni dieses Jahres zum ersten Mal in der Geschichte die Marke von 9 Millionen Menschen, und die Bevölkerungsdichte erreichte 223 Menschen pro Quadratkilometer (zum Vergleich: im Nachbarland Österreich 109). Nur ein Vertreter der Schweizerischen Volkspartei, die sich aktiv mit Migrationsaspekten beschäftigt, stellte fest, der NDB scheine ihm «in dieser Beurteilung sehr weit zu gehen».
Der bekannte russophobe Literaturkritiker aus der Universität St. Gallen Ulrich Schmid, der in den letzten Jahren von Themen der grossen Politik gerne spricht, sagte am 16. Oktober in der Gratiszeitung 20 Minuten, er halte eine russische Einflussnahme in der Schweiz für «möglich». Unser Land könne es versuchen, «bei den Anhängern von Verschwörungstheorien ein Publikum zu finden». Dieser «Fachmann» wollte das Thema Krim ansprechen (was überhaupt nichts mit dem schweizerischen Baden zu tun hat), erinnerte sich jedoch aus irgendeinem Grund nicht daran, dass ähnliche Anschuldigungen von Geheimdiensten anderer westlicher Länder hinsichtlich russischer «Einmischung» in die USA, Grossbritannien, Deutschland usw. durch konkrete und eindeutige Beweise nie bestätigt oder von denjenigen, die in diesen Staaten offizielle Untersuchungen durchführten, widerlegt wurden. Aber unverhohlene Fälschungen, die beispielsweise nicht von mysteriösen «Trollfabriken», sondern direkt durch Kiewer Regime und seine Unterstützer verbreitet werden, sind natürlich «anders».
Erstaunlicherweise äussert man vor diesem Hintergrund in der Schweiz, die auf ihre «Musterdemokratie» mit liberalen Traditionen stolz ist, Forderungen zur Einführung einer Art Zensur in sozialen Netzwerken mit der Möglichkeit, «unerwünschte» Veröffentlichungen zu löschen. Dabei sei die EU im Vergleich zu Bern einen Schritt weiter und wolle soziale Plattformen mit Bussen belegen, damit diese deren Inhalte «besser kontrollieren». Wie der Autor des skandalösen Artikels der NZZ am Sonntag Simon Marti in seinem Zusatzkommentar betont: «Die Schweiz muss jetzt rasch nachholen.» Gemeint ist, dass im Falle einer «Internetkontrolle» ein solches Video nicht «durchschlüpfen» könnte.
Aber das sind die inneren Angelegenheiten von der Schweiz selbst, und unser Land mischt sich im Gegensatz zu westlichen «Kuratoren» darin nicht ein. Im Vergleich zu den hier akkreditierten US- und EU-Botschaftern hat Russland nie betont, wie die Schweizer weiter leben und welche von aussen aufgezwungenen Regeln sie befolgen sollen. Wir rufen die eidgenössischen Medien auf, nicht nach virtuellen Schuldigen an innerschweizerischen Problemen zu suchen und Vorwürfe gegen unser Land, die immer lächerlicher und unangemessener klingen, nicht zu missbrauchen.
Pressedienst der russischen Botschaft in der Schweiz