Botschaft der Russischen Föderation in der Schweizerischen Eidgenossenschaft
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03 Februar / 2021

Virtual ist nicht gleich real

Wir wurden auf die neue Publikation von Herrn Rüesch in der Neuen Zürcher Zeitung vom 2. Februar („Putin ist stark und schwach zugleich“) aufmerksam. Die einseitigen Artikel über Russland in der hiesigen Presse vermögen kaum jemanden mehr zu verwundern. Die Pandemie dürfte die alten Phobien noch stärker angeheizt haben. Wir möchten einiges richtig stellen, ohne sich dabei der virtuellen Realität zu bedienen, die immer öfter den so genannten investigativen Journalisten den Mangel an Tatsachen kaschiert.

Die illegalen Protestaktionen in Russland haben stattgefunden, niemand bestreitet das. Die Frage ist, wie viele Menschen nahmen teil und warum sie auf die Strassen gingen. Wenn man die grösse unseres Landes sowie die geografische Streuung der Kundgebungen berücksichtigt so kann man mit Sicherheit feststellen, dass die Zahl derer, die auf diese Weise ihrer Unzufriedenheit Luft machen wollten gar nicht so stark war. Die in der westlichen Presse genannten Zahlen sind unterschiedlich und klar übertrieben. Es ist allen bewusst, dass es heutzutage nicht darauf ankommt, wie viele protestiert haben, sondern welches Bild verbreitet wird sowie auf die „richtigen“ Kommentare dazu. An solchen Bildern mangelte es im Internet nicht. Die reellen Ereignisse durch virtuelle zu ersetzten, scheint ein beliebtes Instrument für Nawalny und seine Anhänger zu sein.

Es waren eben die Nawalny’s Mitstreiter, die zu den illegalen Protesten aufgerufen haben, wohl wissend, dass sie damit offen zu einem Gesetzbruch anspornen. Ihr erster Versuch ist kläglich gescheitert. Sie griffen dann zu vollkommen unmoralischen Mitteln – es wurden über soziale Netzwerke Minderjährige und Kinder angesprochen, sich dem „interessanten Treffen“ anzuschliessen. Dahinter stand die Absicht, die öffentliche Meinung in Russland und im Westen aufzuwühlen, wenn Halbwüchsige mitmachen und dabei möglicherweise festgenommen werden. Diese niederträchtige Provokation schlug ebenfalls fehl. Es ist zu betonen, dass hinter diesen abscheulichen Dingen genau diejenige stehen, die der Westen so leidenschaftlich unterstützt und auf deren Unschuld er beharrt. Dabei kamen die Aufrufe vornehmlich aus dem Ausland, ohne ein Risiko einzugehen, eingesperrt zu werden.

Was die hier weit verbreitete Behauptung betrifft, wonach Protestler in Russland Nawalny unterstützten wollten so ist diese ebenso falsch. Unter den wenigen Demonstranten war die Anzahl der Nawalny-Fans noch geringer. Diese stachelten gleichwohl andere zu Gewalttaten an und provozierten die Polizisten. Die Polizeibeamten verhielten sich übrigens meist würdig und human. Anders sind die Methoden, welche beispielsweise öfter in Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und in den Niederlanden eingesetzt werden, wo man sich nicht scheut, bei Auflösung von Demonstrationen Tränengas, Gummigeschosse, Wasserwerfer u.ä. zu verwenden. Die russischen Einsatzkräfte nutzten nichts dergleichen. Ein Beleg dafür ist, dass es keine Schwerverletzte gab (lediglich eine Frau in Sankt Petersburg wurde mit einer leichten Verletzung ins Krankenhaus eingeliefert).

Nawalny selbst findet trotz der sich mehrenden Anstrengungen, ihn als Oppositionspolitiker Nummer Eins in Russland darzustellen, in Wirklichkeit kaum Beachtung in unserem Land. Sogar die massive Unterstützung aus dem Westen half ihm nicht, seine Beliebtheitswerte, die auf einem Ramsch-Niveau von 3 Prozent beharren, aufzubessern.

Wenn wir über die Gründe sprechen, welche Menschen auf die Strassen trieben, so sind die Verhaftung Nawalnys sowie der vor seiner Abreise nach Russland gezeigte Film über den angeblichen „Palast Putins“ durchaus zweitrangig. Die wahre Ursache ist dieselbe wie in mehreren westeuropäischen Ländern – Pandemie-Müdigkeit.

Ein paar Worte möchte ich auch über den erwähnten Film verlieren. Die Journalisten aus der «Stuttgarter Zeitung» fanden heraus, dass dieses Video in Deutschland auf «Blackforest Studios» mit organisatorischer und finanzieller Unterstützung aus den USA produziert wurde. Welch wahrer russischer Revolutionär kommt ohne ausländische Hilfe aus?!

Die scheinbare Realität, die Nawalny anhand Computergraphik schuf, mit einem luxuriösen Palast, ausgestattet mit exquisiten Interieurs, Kalian-und Konzertsälen, erwies sich in Wirklichkeit als eine gewöhnliche, nicht fertiggebaute Betonburg. Eine entsprechende Reportage zeigten der Telegramm-Kanal «Mash» und die führenden russischen TV-Sender. Und natürlich wird es nicht vom Föderalen Sicherheitsdienst geschützt. Gefunden wurde auch der echte Besitzer des Anwesens – der russische Unternehmer Arkady Rotenberg teilte mit, dass er dort ein Hotel der Premium-Klasse errichten lässt. Wenn der Palast also ein Fake ist, sind vielleicht alle anderen «Enthüllungen» Nawalnys ebenso Täuschungen?

Die Provokation mit dem Video ist vollkommen gescheitert. Mehr noch, die gepriesenen 106 Millionen Klicks auf YouTube wandelten von der Bestätigung der Popularität Nawalnys in den Beweis für einen banalen Betrug um. In Russland gibt es einfach nicht so viele Internet-Nutzer. Unternehmen Mediaskop analysierte akribisch, wer und wie lange sich das Video angeschaut hat. Es waren 21 Millionen Russen, die es sich ansahen und nicht 106 Millionen, wie Herr Rüesch es behauptet. Auch diese Zahl ist freilich gross, der Teufel liegt jedoch bekanntlich im Detail. In seiner vollen Länge schauten sich den Film lediglich 3,4 Millionen Nutzer, also die besagten 3% der Bevölkerung, welche mehr oder weniger Nawalny unterstützten. 11, 6 Millionen Russen schalteten schon nach zwei Minuten wieder aus und darin lässt sich wahres Interesse an dem zweistündigen Video ablesen, der Rest sind ausschliesslich Fantasien zu den gegebenen Themen.

Die der Realität widersprechende Zahl der Klicks stellt uns vor einer gänzlich anderen Frage. War es am Ende nur ein abgegriffener Betrug mit der künstlich aufgeblasenen Statistik mit Hilfe von Bots, Kauf falscher Klicks oder Schummelei von YouTube? Beispiele dafür, wie IT-Riesen Informationen zensieren und öffentliche Meinung manipulieren sahen wir bei den amerikanischen Wahlen. Darüber sollen die Leser nachdenken und sich damit kritisch auseinandersetzen.

                                                                    

Sergei Garmonin

Botschafter der Russischen Föderation in der Schweiz